Am 20. Juni 2024 gegen 18:45 hatte ich einen Fahrradunfall. Wie genau es dazu kam, bleibt für mich ein Rätsel, denn meine Erinnerung endet etwa 1-2 Kilometer vor dem Unfall und setzt erst wieder ein, als ich mich im Krankenhaus wiederfand. Nachträglich habe ich erfahren, dass ich von der Unfallstelle mit dem Hubschrauber ins Universitätsklinikum Gießen geflogen wurde. Die Diagnosen waren erschreckend umfangreich:
Ich füge keine Fotos von mir nach dem Unfall ein, da ich denke, nicht jeder sollte mit den Folgen bildlich konfrontiert werden.
Diagnosen laut ärztlichem Bericht:
- Frakturen der Hals- und Lendenwirbelsäule (HWK 6 + 7, LWK 4 + 5)
- Mehrfragmentfraktur des linken Schulterblatts (Scapula) mit Frakturen der Margo lateralis und medialis der Scapula
- Mehrere Rippenserienfrakturen links (1.-8. Rippe) sowie Fraktur der 9. Rippe rechts
- Pneumothorax links und beidseitige Lungenkontusionen
- Lungenlazerationen und Hautverletzungen an Unterarmen und Knien
- Weitere kleinere Verletzungen wie eine Platzwunde am Kinn und Gesichtsprellungen
Der Weg durch das Krankenhaus
In einer ersten Operation am 24. Juni 2024 wurden meine gebrochenen Rippen operativ gerichtet und mit zwei Matrix-Platten stabilisiert. Vier Tage später, am 28. Juni, folgte eine zweite Operation, bei der mein Schulterblatt rekonstruiert wurde. Hierbei kamen zwei winkelstabile Platten zum Einsatz. Die Operationen wurden von Prof. Heiß, dem Leiter der Unfallchirurgie in Gießen, und seinem Team durchgeführt. Insgesamt blieb ich vom Unfalltag bis zum 4. Juli 2024 stationär im Universitätsklinikum Gießen.
Ich habe während meines Aufenthalts im Krankenhaus an einer wissenschaftlichen Studie, dem LeAf-Projekt, teilgenommen. Dies beinhaltete unter anderem das Ausfüllen eines Fragebogens. Insgesamt war ich sehr zufrieden mit der Betreuung: Das Personal war freundlich, aufmerksam und stand jederzeit für Fragen zur Verfügung. Besonders hervorzuheben ist, wie engagiert sich die Pflegerinnen und Pfleger um meine Mobilisation kümmerten. Auch die Ärzte nahmen sich viel Zeit, um mir die geplanten Operationen und meinen Heilungsverlauf zu erklären.
Während des Aufenthalts haben mich mehrere Freunde besucht, was mir viel bedeutet hat. Sie haben mir auch etwas Leckeres zu essen mitgebracht und mir die Zeit im Krankenhaus erleichtert.
Das Krankenhausessen war gut, wenn auch aus meiner Sicht etwas zu süß – die regelmäßigen kleinen Kuchen und Süßigkeiten haben mich wieder auf den Geschmack von Zucker gebracht. Insgesamt war mein Eindruck vom Universitätsklinikum Gießen sehr positiv.
Die erste Zeit nach der Entlassung
Nach meiner Entlassung trug ich wegen der Fraktur der Halswirbelsäule für etwa sieben Wochen eine Halskrause (“Stiff Neck”). Ich war knapp fünf Wochen arbeitsunfähig, ehe ich wieder ins Büro zurückkehrte – zunächst überwiegend im Homeoffice. Meine Arbeitskollegen hatten für rund zwei Wochen die Gelegenheit, mich mit der Halskrause zu bewundern, bevor ich sie ablegen konnte.
Meine Familie hat mich sehr unterstützt, insbesondere musste meine Frau für eine lange Zeit alle Aufgaben und die Trainingsfahrten der Kinder alleine übernehmen. Leider ist auch der Familienurlaub im Sommer ausgefallen, da ich aus medizinischen Gründen nicht fliegen durfte.
Die letzte Woche im Krankenhaus und die Leidenszeit zu Hause habe ich damit verbracht, die Tour de France zu schauen (habe mir ein entsprechendes Streaming-Abo für die Zeit geholt).
Etwa fünf Wochen nach dem Unfall konnte ich mein Rennrad, ein Colnago C64, von der Polizei abholen. Leider war der Rahmen an zwei Stellen hinten gebrochen, und einige Anbauteile wie der Sattel waren ebenfalls kaputt. Ob das Rad gerettet werden kann, ist fraglich.
Ich wurde in Bezug auf die Kosten durch meine private Krankenversicherung der Allianz immer gut unterstützt, was mir eine große finanzielle Sorge genommen hat.
Zurück auf das Rad
Am 18. August 2024 wagte ich mich erstmals wieder auf meine Indoor-Rolle, um vorsichtig zu trainieren. Obwohl die Rolle fest steht, fühlte es sich instabil und ungewohnt an. Zwei Tage später, am 20. August, fuhr ich meine erste kurze Runde mit meinem Gravelbike. Das Gefühl der Unsicherheit war noch da, und meine linke Schulter schmerzte deutlich. Doch ich wollte nicht aufgeben.
Seither fahre ich wieder regelmäßig Rad, wenn auch eher kürzere Distanzen zwischen 40 und 60 Kilometern. Im Sommer schaffte ich es sogar, an einem Donnerstagstraining meines Radvereins RVW Gambach teilzunehmen. Auch mit der Gravel-Gruppe aus Bad Nauheim habe ich inzwischen wieder einige gemeinsame Fahrten unternommen. Bis zu meinem Unfall im Juni 2024 hatte ich etwa 7400 Kilometer auf dem Rad zurückgelegt. Aktuell, im Dezember 2024, liegt meine Gesamtleistung bei rund 9500 Kilometern.
Wie ging es mir nach dem Unfall?
Körperlich war die erste Zeit nach dem Unfall natürlich herausfordernd. Die Schmerzen und die eingeschränkte Beweglichkeit waren ständige Begleiter, und der Heilungsprozess erforderte Geduld. Meine linke Schulter ist bis zum heutigen Tag, dem 22. Dezember 2024, noch nicht vollständig hergestellt. Die Beweglichkeit ist eingeschränkt, und die Kraft fehlt noch – Schulterfrontheben mit 6 kg gelingt kaum, mit 4 kg jedoch schon recht gut. Die Physiotherapie, die ich verschrieben bekommen habe, hat mir geholfen, jedoch habe ich den Eindruck, dass sie insgesamt zu wenig war.
Seit November 2024 gehe ich wieder ins Fitnessstudio, um gezielt Kraft aufzubauen. Einige Beispiele für Übungen aus meinem aktuellen Training im Dezember 2024:
- Bankdrücken mit Langhantel: 50 kg
- “Fliegende” Brustübung mit Hanteln: 12 kg
- Bizeps-Curls: Maximal 10 kg mit dem linken Arm (rechts etwas mehr)
- Schulterdrücken mit Langhantel: ca. 30 kg
Am 4. Januar 2025 habe ich einen Beratungstermin mit einem Trainer vereinbart, um meine Schulter noch gezielter zu trainieren.
Mit dem Laufen habe ich am 6. September 2024 wieder angefangen und bin seitdem relativ regelmäßig – etwa einmal pro Woche – unterwegs. Das Laufen hilft mir, meine allgemeine Fitness zu verbessern, auch wenn ich merke, dass mein körperlicher Zustand noch nicht wieder auf dem alten Niveau ist.
Ich schlafe deutlich schlechter als vor dem Unfall und benötige dadurch längere Schlafzeiten. Emotional bin ich insgesamt reizbarer geworden und habe weniger Geduld. Trotz dieser Herausforderungen habe ich keine Angst, wieder aufs Rad zu steigen, und spüre auch keine psychischen Beeinträchtigungen beim Fahren. Allerdings hat meine Kondition stark gelitten, und mein allgemeiner physischer Zustand hat sich verschlechtert. Ich habe seit dem Unfall etwa 7 kg zugenommen, was das Radfahren erschwert. Anstrengungen fühlen sich schwieriger an, und zum ersten Mal in meinem Leben empfinde ich ein Gefühl des Alterns.
Fazit
Der Unfall hat mir gezeigt, wie schnell sich das Leben verändern kann. Doch er hat mir auch bewiesen, dass man mit der richtigen Unterstützung, viel Geduld und einer Prise Mut zurück in ein aktives Leben finden kann. Es würde mich interessieren, wie andere Fahrradunfälle überwunden haben, und daher darf die Kommentarfunktion gerne genutzt werden.
Na, du bist ja zum Jahresende fitter als ich, und das trotz deines Unfalls – chapeau für deine „Resilienz“!
Ich ziehe die Radcappy und freue mich riesig auf eine gemeinsame Tour nächstes Jahr 🙂
Hau rein!